Aufführung 2017

Schwäbische Zeitung vom 12.07.2017 / Helmut Voith

Wie findet ein Mann seinen Weg?

Theater-AG des Montfort-Gymnasium zeigt ein Leben in Zeitraffer

TETTNANG (chv) - Die Generalprobe am Dienstagnachmittag war so vielversprechend, dass die heutige Premiere der Theater-AG des Montfort-Gymnasiums gewiss ihre Zuhörer in den Bann ziehen wird. Martin Heckmanns 2007 am Schauspielhaus Düsseldorf uraufgeführtes Stück „Kommt ein Mann zur Welt“ ist Komödie und Satire zugleich, es hat schwarzen Humor und berührende, poetische Momente und Spannung.

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„Er wird alles besser machen“, versprechen sich die Eltern bei Brunos Geburt. „Ich will die Welt umarmen, will in die Geschichte eingehen“, sagt das Kleinkind. „Ich will meinen Weg gehen“, sagt der Erwachsene, doch am Ende bleibt nur ein „Ich hätte vielleicht...“, der Satz bricht ab. Der Held Bruno Benjamin Raffael Stamm hat sich vorgesagt: „Ich will es alles und ich will es jetzt“, und sich doch nie entschieden, er hat sich treiben lassen im Dschungel der Wahlmöglichkeiten. Eine Komödie und zugleich ein Stück, das Fragen stellt, Fragen offenlässt: War das nun ein erfülltes Leben oder hat der Held seine Möglichkeiten verschenkt? Wie und wann hätte er seinem Leben eine andere Richtung geben können? Fragen, die immer wiederkehren, die auch die Zuhörer zum Nachdenken auffordern, gerade die jungen, die sich irgendwann entscheiden müssen, welche Richtung sie ihrem Leben geben wollen.

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Das Stück, das Antje Prospero, die Leiterin der Theater-AG, für ihre Schüler ausgewählt hat, ist anspruchsvoll und passt mit den Reflexionen, die es durchziehen, bestens für die Theater-AG eines Gymnasiums. Zugleich ist es auch voller Humor, voller Emotionen und äußerst unterhaltsam – hat man erst einmal hineingefunden, vergehen die zwei Stunden wie im Flug.

Wer bin ich? Was will ich?

Und das, weil hier alles zusammenpasst. Assistiert von Sebastian Korth, hat Anje Prospero einen flotten Bilderbogen auf die Bühne gebracht. Weiße Lamellen umgeben die Spielfläche, werden auch mal Projektionswand für die Reise nach New York. Eine schwarze Kiste ist bald Mutterschoß, bald Bar Theke, bald Krankenbett, darüber hinaus reichen wenige stimmige Requisiten, um die zahlreichen Stationen in Brunos im Zeitraffer ablaufendem Leben klar und deutlich zu markieren, ein Leben, das der Vater gar nicht wollte, als die Mutter das Kind ankündigte. Mit sechs fällt Bruno vom Baum, er will Performancekünstler werden und landet im Knast, er wird mit einem einzigen Hit zum Star und bald wieder fallen gelassen, auch seine Liebeswelt ist rasch in Schieflage. Gespannt verfolgt man diesen Weg, den Zweifel säumen: „Wer bin ich? Was will ich?“ Stimmen in seinem Inneren kommentieren sein Leben, stellen die Fragen, geben Ratschläge, die er nicht hören will. Die Stimmen treiben ihn zur Verzweiflung, doch er wird sie nicht los. Die Stimmen stehen auf der Bühne, umgeben ihn, ziehen sich zurück und machen ganz realen Szenen Platz: in der Familie, in der Disco, wo er vergeblich um Tinas Küsse bittet, im Flugzeug, wo er Suse begegnet. Wunderbar echt schlüpfen die Spieler in die Rollen. Man kann keine Namen nennen, wo allein für Bruno vom Kleinkind bis zum dementen Alten fünf Spieler sich ablösen, jeder für sich, für seine Phase sehr präsent. Ein Gesamtkunstwerk, zu dem auch Musikeinspielungen, Licht, Kostüme und Maske passen.

theater-ag-2017-sz-03.jpgWie soll Bruno seinen eigenen Weg finden, wenn Vater und Mutter an ihm zerren?


Südkurier, 18.07.2017, Text und Bilder Kerstin Schwier

Theater AG des Montfort-Gymnasiums brilliert

Die Theater AG des Montfort-Gymnasiums Tettnang meistert Martin Heckmanns "Kommt ein Mann zur Welt" mit Bravour.

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Bruno (Stefan Baur) kommt mit dem Gesetz in Konflikt und wird von der Polizei (von links: Lara Preuschhoff, Yeldem Sir) festgenommen.

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Die fünf grandiosen Bruno- Darsteller (von links): Yannick Stein, Stefan Baur, Sebastian Arnegger, Moritz Dornseiff und Yannick Traub.

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Beim Landeanflug ist es um ihn geschehen: Bruno (Stefan Baur) verliebt sich in Stewardess Suse (Zoe Avanzini).

Sein Leben dauert nicht lange. Gerade einmal gute zwei Stunden braucht Bruno von dem Moment, als er buchstäblich ins Leben – in diesem Fall auf die Bühne – geworfen wird, bis hin zu seinem finalen Satz "ich hätte vielleicht", mit dem er sich endgültig von dieser Welt verabschiedet. Doch diese zwei Stunden haben es in sich. Die Theater AG des Montfort-Gymnasiums Tettnang hat sich dieser kurzen Zeitspanne, dieses Lebens im Zeitraffer, angenommen. Unter der Leitung von Antje Prospero, die bereits in früheren Inszenierungen ihr Regietalent unter Beweis gestellt hat, und Sebastian Korth brillierten am Freitagabend 30 Laiendarsteller der Theater AG in der voll besetzten Schulaula mit Martin Heckmanns modernen Groteske "Kommt ein Mann zur Welt". Das Stück, dessen Titel klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes, erzählt die Geschichte eben jenes Brunos, von seiner Geburt bis zu seinem unspektakulären Ende.

Stakkatohaft reiht sich Szene an Szene. Im rasanten Tempo erlebt der Zuschauer die teils qualvolle Entwicklung des Protagonisten und wird Zeuge seiner inneren Zerrissenheit, seiner Identitätssuche und seiner Selbstzweifel. Denn Bruno ist ein Getriebener, er ist "ständig auf der Flucht". Vor allem vor seinen inneren Stimmen, dargestellt von acht weißgewandeten Schülern, die ihn nie zur Ruhe kommen lassen, ihm sein Leben vorhersagen, scheinbar alles besser wissen und jeden seiner Schritte kommentieren müssen. Im Schnelldurchlauf geht es so durch Stationen der Kindheit, Pubertät, Arbeit, Familie, Krankheit und Tod. Gleich fünf Darsteller (Yannick Stein, Stefan Baur, Sebastian Arnegger, Moritz Dornseiff und Yannick Traub) teilen sich die Rolle des Bruno.

Und alle machen ihre Sache richtig gut. Wenn Yannick Stein als junger Bruno in der "Zeit der Fragen" völlig verzweifelt, mit gebrochener, sich überschlagender Stimme so existenzielle Fragen wie "Wer bin ich, wenn ich schlafe?" oder "Wo bin ich, wenn ich denke?" herausschreit, ist die innere Seelenpein zum Greifen nah. Diesen intensiven Moment spürt auch das Publikum und honoriert die schauspielerische Glanzleistung mit spontanem Szenenapplaus.

In der sich anschließenden Lebensphase versucht Bruno (jetzt Stefan Baur) mit Stachelhalsband, blau gefärbten Haaren, Drogen- und Alkoholexzessen dem Sinn seines Daseins auf die Spur zu kommen. Er will Künstler sein, keine ausgetretenen Pfade beschreiten. Frauen kreuzen seinen Weg, er landet einen Hit als Schmusesänger, kommt ins Gefängnis, gründet eine Familie. Und doch scheint sein Prozess der Identitätsfindung bis zu seinem Tod unvollendet. Grandios, wie die jungen Laiendarsteller dieses nicht ganz einfache Stück umgesetzt haben.

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Suse (Zoe Avanzini) besucht Bruno (Sebastian Arnegger) im Knast. Berührung nur über die Trennscheibe.

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Da rutschten auch die Zuschauer in der Schulaula tiefer in ihre Sitze: Bruno (Sebastian Arnegger) muss zur Zahnärztin (Jessica Mayer).

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Hier liest Suse (Leonie Brugger) ihrem Bruno (Yannick Traub) die Leviten. Im Hintergrund immer dabei: seine inneren Stimmen, dargestellt von den weiß gekleideten Schülern.

 

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